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Auch ein lautes Volksfest ist zu dulden

Üblicherweise befassen die Verwaltungsgerichte sich mit dem Immissionsschutzrecht im Zusammenhang mit genehmigungsbedürftigen Industrieanlagen, doch manchmal geht es auch um die wirklich schönen Dinge im Leben. Das Verwaltungsgericht Hannover musste sich im vergangenen Sommer mit dem Eilantrag einer Bürgerin beschäftigen, die in der Nähe des Maschsees wohnt und das seit den 1950er-Jahren stattfindende Maschseefest, immerhin das größte Seefest Deutschlands, nicht mehr dulden wollte. Sie fühlte sich durch den vom Fest ausgehenden Lärm in ihrer Nachtruhe beeinträchtigt und wollte den vorzeitigen Abbruch der Veranstaltung erreichen.

Das VG Hannover ist kein Nachtwächter

Das Verwaltungsgericht verstand sich allerdings nicht als Nachwächter und hat den Antrag der Anwohnerin abgelehnt (VG Hannover, Beschl. v. 09.08.2023 – 7 B 4136/23). Was trotz der niedersächsischen Landeshauptstadt als Schauplatz wie eine Provinzposse klingt, begegnet kommunalen Ordnungsbehörden immer wieder. Es lohnt sich daher ein Blick auf die Begründung der Entscheidung des VG Hannover:

Die zuständige Behörde hatte der Veranstalterin des Straßenfests eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) erteilt und dabei unter „Festsetzungen Lärmschutz“ ausgeführt, dass abweichend von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) für den Regelbetrieb in der Nachtzeit ein Immissionswert von 43 dB(A) für allgemeine und reine Wohngebiete gelte (nach der TA Lärm gelten im Normalfall 40 bzw. 35 dB (A)) und für die Tagzeit ein Richtwert von 55 dB(A) (für reine Wohngebiete nach TA Lärm 50 dB(A)) gelte. Zugleich hat die Behörde nach Nr. 6.4 TA Lärm (i.V.m. der Nds. Freizeitlärmrichtlinie) den Beginn der Nachtzeit für einzelne Tage auf 23 Uhr verschoben und nach Nr. 7.2, 6.3 TA Lärm seltene Ereignisse zugelassen. Danach ist tags ein Immissionswert von 70 dB(A) und nachts bis 2 Uhr von 55 dB(A) zulässig.

Was ist mit seltenen Ereignissen gemeint? Die TA Lärm versteht darunter voraussehbare Überschreitungen von Immissionsrichtwerten, die an nicht mehr als an jeweils zwei aufeinanderfolgenden Tagen und nicht an mehr als an jeweils zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden eintreten werden. In diesen Fällen darf eine Überschreitung zugelassen werden.

Privilegierung von herausgehobenen Veranstaltungen

Unter Rückgriff darauf hat auch das VG Hannover die Erlaubnis für rechtmäßig erachtet. Es hat dabei zudem die Freizeitlärmrichtlinie der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 6. März 2015 herangezogen, die nach der Nds. Freizeitlärmrichtlinie partiell ergänzend zur Anwendung gelangt. Danach kann für Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit (kein Maschseefest ohne Maschsee) und hoher sozialer Adäquanz und Akzeptanz eine solche Abweichung vorgesehen werden.

Kurzum: Die Anwohnerin muss die in der Erlaubnis vorgesehenen Überschreitungen als seltene Ereignisse hinnehmen. Und im Rahmen der Interessenabwägung hebt das VG Hannover auch noch die gewichtigen wirtschaftlichen Interessen der Veranstalterin und der gesamten Region Hannover hervor. Das Fest schärfe das touristische und kulturelle Profil der ganzen Region. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

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