Für den Arbeitnehmer ist ein fester Arbeitsort, im besten Fall in der Nähe seines Wohnortes, wichtig. Unter Umständen kann sich der Arbeitsort durch eine Versetzung durch den Arbeitgeber ändern. Doch wie weit reicht das Versetzungsrecht des Arbeitgebers? Kann ein Arbeitnehmer auch an einen Arbeitsort außerhalb Deutschlands versetzt werden?
Das Bundesarbeitsgericht hatte am 30.11.2022 (Aktenzeichen: 5 AZR 336/21, bisher nur als Pressemitteilung veröffentlicht) über die Frage zu entscheiden, ob der Arbeitgeber auch dazu berechtigt sein kann den Arbeitnehmer anzuweisen, seine Arbeitsleistung von einem Ort außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aus zu erbringen. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht dem Grund nach bejaht. Im Wesentlichen entschied das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen könne, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden sei. § 106 GewO begrenze das Weisungsrecht des Arbeitgebers insoweit nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliege nach dieser Bestimmung allerdings einer Billigkeitskontrolle.
Dazu im Einzelnen:
Der Kläger war als Pilot bei der Beklagten – ein international tätiges Luftverkehrsunternehmen mit Sitz im europäischen Ausland – beschäftigt. Arbeitsvertraglich vereinbart war ein Jahresgehalt von rund 75.000,00 Euro. Aufgrund eines von der Beklagten mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) geschlossenen Vergütungstarifvertrags betrug sein Jahresverdienst zuletzt 140.000,00 Euro. Stationierungsort des Klägers war der Flughafen Nürnberg. Allerdings sah der Arbeitsvertrag keinen fest vereinbarten Arbeitsort vor, sondern es war eine unternehmensweite Versetzungsklausel vorgesehen.
Die Beklagte traf sodann die unternehmerische Entscheidung die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben, wozu ein Tarifsozialplan geschlossen wurde. Der Kläger wurde an die Homebase der Beklagten am Flughafen Bologna in Italien versetzt. Durch die Versetzung ins Ausland erhielt der Kläger eine deutlich geringere Vergütung, da ihm der tarifliche Vergütungsanspruch entzogen wurde, denn der Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags bezog sich allein auf in Deutschland stationierte Piloten.
Der Kläger hielt die Versetzung nach Bologna für unwirksam, da seiner Ansicht nach das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO eine Versetzung ins Ausland nicht erfasse. Zumindest aber sei die Versetzung unbillig, da ihm sein tariflicher Vergütungsanspruch entzogen werde und ihm auch ansonsten erhebliche Nachteile entstünden.
Die Vorinstanzen haben die gegen die Wirksamkeit der Versetzung gerichtete Klage abgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht schloss sich den Vorinstanzen an und wies die Revision des Klägers zurück. Das Bundesarbeitsgericht stellte ausdrücklich klar, dass wenn arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart sei, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsklausel vorgesehen sei, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort umfasse. Da dem Gesetz eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu entnehmen sei, sei eine grenzüberschreitende Versetzung in diesem Fall grundsätzlich möglich.
Die Versetzungsmöglichkeit unterliege allerdings einer Billigkeitskontrolle im Einzelfall, d. h. es ist zu prüfen, ob die Versetzung dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Das Bundesarbeitsgericht bejahte, dass die Maßnahme billigem Ermessen entspreche. Die Versetzung sei Folge der unternehmerischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit sei die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, nicht mehr gegeben. Mildere Mittel zur Vermeidung der Auslandversetzung sah das Bundesarbeitsgericht nicht. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort gebe es nicht, ein Einsatz als „Mobile Pilot“ sei nicht möglich, eine Base-Präferenz habe der Kläger nicht angegeben und das Bundesarbeitsgericht stellte zudem fest, dass alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten an einen Standort in Italien versetzt worden seien. Auch die geringere Vergütung bei einer Stationierung in Italien stehe der Wirksamkeit der Versetzung nicht entgegen. Die Weisung des Arbeitgebers lasse den Inhalt des Arbeitsvertrages, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, unberührt. Dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliere, liege an dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten begrenzt ist. Zudem sei in dem Tarifsozialplan vorgesehen, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt würden. Die Frage der Vergütung wurde somit im Tarifsozialplan eindeutig geregelt. Schließlich entschied das BAG, dass es nicht unbillig im Sinne des § 106 Satz 1 GewO sei, wenn die Beklagte mit der Versetzung sonstige Nachteile des Klägers, der seinen Wohnort in Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleiche, als es im Tarifsozialplan vorgesehen sei.
Für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer bedeutet diese Entscheidung Folgendes: Grenzüberschreitende Versetzungen sind grundsätzlich möglich. Arbeitnehmer sollten insbesondere überprüfen, ob in deren Arbeitsvertrag eine unternehmensweite Versetzungsklausel enthalten ist. Aber auch für Arbeitgeber ist diese Entscheidung von Bedeutung. Gerade für international tätige Unternehmen ist diese Entscheidung zu beachten. Denn bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann, ist zu prüfen, ob eine grenzüberschreitende Versetzung des Arbeitnehmers als milderes Mittel in Betracht kommt. Dieses ist jedenfalls dann zu überprüfen, wenn der Arbeitsvertrag eine unternehmensweite Versetzungsklausel vorsieht und kein fester Arbeitsort vereinbart ist. Schließlich ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Versetzung ins Ausland billigem Ermessen entspricht. Die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts werden daher spannend erwartet.