Brandi mbB - Logo

Beitrag

Aktuelle ThemenArbeitsrecht

Bewerbung über eBay-Kleinanzeigen löst Pflichten nach dem AGG aus

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde im August 2006 erlassen. Jegliches technische Gerät aus dieser Zeit darf heute als veraltet gelten. Das AGG schafft es jedoch mit den technischen und digitalen Entwicklungen der modernen Arbeitswelt Schritt zu halten. Das belegt ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 21.06.2022, Aktenzeichen 2 Sa 21/22.

Darin war das Gericht zur Entscheidung der Frage berufen, ob einem Interessenten für eine auf dem Portal „eBay-Kleinanzeigen“ ausgeschriebene Stelle der Status eines Bewerbers nach dem AGG zukommen kann. In dieser auf dem Portal geschalteten Anzeige wurde ausdrücklich eine „Sekretärin“ gesucht. Der Interessent, ein Mann, nutzte die Chatfunktion des Portals „eBay-Kleinanzeigen“ und bekundete ausdrücklich sein Interesse an der Stelle. Gleichzeitig fragte er zurück, ob tatsächlich nur eine Frau nicht eventuell auch ein Mann für die Stelle gesucht werde.

Nachdem der Arbeitgeber mitteilte, dass tatsächlich nur eine Frau gesucht werde und den Interessenten daraufhin ablehnte, machte dieser einen Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung gegenüber dem Arbeitgeber geltend.

Das LAG Schleswig-Holstein erkannte diesen Anspruch an und sprach dem Interessenten letztlich einen Betrag von 7.800,00 € als Schadensersatz zu. Dabei stützte es sich darauf, dass nach der Rechtsprechung des BAG die Eigenschaft als Bewerber formal danach zu bestimmen ist, ob ein Bewerbungsschreiben beim Arbeitgeber eingegangen ist. Das LAG stellt dazu ausdrücklich fest, dass ein Bewerbungsschreiben auch digital und auch unter Nutzung einer Chatfunktion zugehen kann. Keinesfalls ist es notwendig, dass ein möglicherweise klassisches Bewerbungsschreiben mit Unterschrift, Bild und Lebenslauf übermittelt wird. Auch genügt es hinsichtlich der Person des Bewerbers, wenn diese identifizierbar ist. Dazu genügte dem LAG im entschiedenen Fall die Angabe von Name und Qualifikationen des Interessenten.

Damit sind die Hürden für die Erlangung des Status eines Bewerbers im Sinne des AGG niedrig angesetzt. Der deutliche Hinweis, dass sich ein Interessent auf eine Stelle bewirbt, reicht dem LAG schon aus, um die Stellung als Bewerber zu begründen. Dieser entsprechende Hinweis kann auch über die digitale Chatfunktion einer App oder eines Onlineangebotes erfolgen. Dies muss nach dem LAG erst recht gelten, wenn der Arbeitgeber das entsprechende Portal für seine Ausschreibung genutzt hat.

In der praktischen Konsequenz ergeben sich damit für Arbeitgeber neue Risiken. Angesichts des bestehenden Fachkräftemangels und der damit einhergehenden Schwierigkeit, Personal zu gewinnen, werden Arbeitgeber kreativer, um für sich zu werben und potentielle Arbeitnehmer anzusprechen. Nach dem Urteil des LAG Schleswig-Holstein ist dabei darauf zu achten, dass die gesetzlichen Regelungen für Stellenausschreibungen auch bei der Nutzung moderner Kommunikationsformen beachtet werden. Gleichzeitig können sich Arbeitgeber aber wohl eines „moderneren Umgangstons“ bedienen. So hat das Arbeitsgericht Koblenz mit Urteil vom 09.02.2022, Aktenzeichen 7 Ca 291/21, noch festgestellt, dass die Verwendung des Begriffs „coole Typen“ ohne weitere Anhaltspunkte noch keine Benachteiligung im Sinne des AGG wegen Alters oder Geschlechts darstellt.

Autoren