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BGH entscheidet erneut über Bewertungsportal Jameda

Grundsätzlich stehen jeder betroffenen Person im Hinblick auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten umfangreiche Rechte zu. Dazu gehört unter anderem der Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten nach Art. 17 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Der Anspruch hängt allerdings von einer unrechtmäßigen Verarbeitung der Daten durch den Verantwortlichen ab. Der BGH hat sich bereits mehrfach in verschiedenen Konstellationen über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bewerteter Ärzte auf der Bewertungsplattform Jameda geäußert (u.a. BGH, 23.09.2014 – VI ZR 358/13, GRUR 2014, 1228 – Ärztebewertung II, BGH, 20.02.2018, VI ZR 30/17, NJW 2018, 1884 – Ärztebewertung III). Durch den BGH wurde dabei zunächst anerkannt, dass es ein grundsätzliches Interesse an entsprechenden Arztbewertungen gibt, da diese Bewertungen Ausfluss der freien Meinungsäußerung sind.

Bei Beiträgen auf dem Bewertungsportal Jameda handelt es sich stets um subjektive Bewertungen, die nur einer eingeschränkten Kontrolle unterliegen. Durch das Bereitstellen der Plattform eröffnet der Betreiber damit einen Raum, der auch für negative Kommentare und Bewertungen genutzt werden kann, die grundsätzlich auch von bewerteten Ärzten und anderen Berufsgruppen zu akzeptieren sind. Dies gilt prinzipiell auch dann, wenn der Betreiber das Portal kommerziell betreibt.

1. Rechtmäßige Verarbeitung

In seiner aktuellen Entscheidung musste sich der BGH konkret damit auseinandersetzen, ob der Plattformbetreiber der Ärztebewertungsplattform Jameda auf Verlangen einer Ärztin verarbeitete personenbezogene Daten gem. Art. 17 Abs. 1 lit. d) DSGVO löschen muss (BGH, 15.02.2022, VI-ZR 692/20). Eine tatsächliche Auslistung einzelner Ärzte hätte zur Folge, dass gerade der Sinn und Zweck der Bewertungsplattformen, nämlich einen möglichst vollständigen Überblick über bestimmte Berufsgruppen zu geben, nicht mehr erfüllt werden kann. Die Interessen der Ärzte und anderen bewerteten Personengruppen, die im konkreten Fall Betroffene im datenschutzrechtlichen Sinne darstellen, würden hingegen gestärkt werden.

2. Berechtigte Interessen im Rahmen einer Interessenabwägung

Konkreter rechtlicher Anknüpfungspunkt ist die Frage nach der rechtmäßigen Verarbeitung und der damit einhergehenden Interessenabwägung der berechtigten Interessen im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO. Danach ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Interesse des Verantwortlichen (hier Jameda) nur rechtmäßig, sofern nicht die Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Personen (hier bewertete Ärzte) überwiegen. Entscheidend für den vorliegenden Fall war insbesondere, ab wann kommerzielle Zusatzangebote des Plattformbetreibers im Rahmen dieser Abwägung zu seinen Lasten ausfallen.

3. Entscheidung des BGH

Der BGH hat entgegen der ersten Instanz (LG Hanau, 08.11.2018, 7 O 599/18) einen Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten der Ärztin abgelehnt. Er hat damit die Berufungsentscheidung des OLG Frankfurt am Main bestätigt (OLG Frankfurt a.M., 09.04.2020, 16 U 218/18). Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass das Bereitstellen eines Informationsportals für die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse darstellt. Dieses überwiegt dem Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung sowie dem sozialen und beruflichen Geltungsanspruch. Der BGH betont, dass auch das kommerzielle Interesse des Plattformbetreibers kein anderes Abwägungsergebnis rechtfertigt, solange nicht die Position als neutraler Informationsmittler verlassen wird. In diesem Zusammenhang hat der BGH herausgearbeitet, unter welchen Voraussetzungen kommerzielle Interessen für den Betreiber schädlich sein können. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Portalbetreiber die Profile nicht zahlender  Ärzte gezielt als Negativbeispiel missbraucht, um potentielle Patienten zu einer Behandlung bei zahlenden Ärzten zu lenken und diesen damit einen erheblichen Vorteil verschafft. Um konkurrenzfähig zu bleiben, würde es für nicht zahlende Ärzte die einzige Option darstellen, sich ebenfalls der Gruppe der zahlenden Ärzte anzuschließen. Darüber hinaus misst der BGH dem Interesse der Öffentlichkeit an einem möglichst vollständigen Informationsangebot erhebliche Bedeutung zu, worauf sich der Plattformbetreiber ebenfalls berufen kann.

4. Bewertung

Durch die Entscheidung des BGH bleibt es dabei, dass es für Ärzte und andere Berufsgruppen weiterhin schwierig ist, sich gegen Bewertungen auf Online-Plattformen zur Wehr zu setzen. Es kommt zurecht nicht darauf an, ob der Plattformbetreiber auch kommerzielle Interessen verfolgt, solange hierdurch nicht die Position als neutraler Informationsmittler verlassen wird. Die Anforderungen, wann die kommerzielle Einflussnahme zu Lasten des Plattformbetreibers geht, wurden vom BGH berechtigterweise hoch angesetzt. Dadurch wurde nicht nur Jameda in seiner Rolle als Informationsplattform, sondern auch das Interesse der Öffentlichkeit an einem umfassenden Informationsangebot gestärkt. Die Linie des BGH hinsichtlich Bewertungsplattformen, allen voran Marktführer Jameda, scheint klar. Es dürfte vermutlich dennoch weiterhin Versuche der Ärzteschaft geben, sich gerichtlich gegen negative Bewertungen zu wehren.

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