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Transmortale Vollmacht

Fortbestand einer transmortalen Vollmacht bei Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten

Das OLG Nürnberg (Beschl. v. 25.03.2024 – 15 Wx 2176/23) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht für Verfügungen, die der Bevollmächtigte nach dem Tod des als Eigentümer eingetragenen Vollmachtgebers vornimmt, dadurch entfällt, dass der Bevollmächtigte zugleich dessen Alleinerbe geworden sein könnte. Hierbei bestand im Vergleich zu Sachverhalten, die anderen bisherigen obergerichtlichen Entscheidungen zugrunde lagen, die Besonderheit, dass die Verfügung allein auf die Vollmacht und nicht (auch) auf die Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten gestützt wurde.

Sachverhalt der Entscheidung 

Der Ehemann und Erblasser ist als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Er hatte seiner Ehefrau eine transmortale Generalvollmacht erteilt, die ausdrücklich eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB enthielt. Somit war der Ehefrau auch die Vornahme von Rechtsgeschäften im Namen ihres Ehemannes mit sich im eigenen Namen (Insichgeschäft) möglich. Außerdem hatte der Ehemann seine Ehefrau durch eigenhändiges Testament zu seiner Alleinerbin eingesetzt.

Nach dem Tod des Ehemannes, schloss die Ehefrau einen Vertrag über die Überlassung dieses Grundstücks, wobei sie auf Erwerberseite für sich selbst und auf Veräußererseite ausdrücklich „für die Erben des verstorbenen … aufgrund Vollmacht des Notars … vom …“ auftrat. Die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch wurde ebenfalls bewilligt und beantragt. Das Grundbuchamt wies den Antrag allerdings zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Ehefrau durch die Annahme der Erbschaft die Legitimationswirkung der Vollmacht aufgehoben habe. Da die Ehefrau Alleinerbin ihres Ehemannes geworden sei, sei die Vollmacht durch Konfusion erloschen. Eine Eigentumsumschreibung im Grundbuch sei nur im Wege der Grundbuchberichtigung mittels Erbscheins zu erreichen. 

Rechtliche Ausgangslage

Fällt im Erbfall eine Immobilie in den Nachlass, so geht das Eigentum automatisch auf den oder die Erben über. Da im Grundbuch aber weiterhin der Erblasser eingetragen ist, wird eine Umschreibung des Eigentums im Grundbuch erforderlich. Nach der Vorschrift des § 35 Abs. 1 Grundbuchordnung (GBO) wird dafür zum Nachweis der Erbfolge entweder die Vorlage eines Erbscheins oder einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen nebst Niederschrift über die Eröffnung dieser Verfügung benötigt. Ein eigenhändig verfasstes Testament genügt also nicht.

Etwas anderes könnte aber dann gelten, wenn der (mögliche) Alleinerbe gleichzeitig Bevollmächtigter des Erblassers ist und diese transmortale Vollmacht – also eine Vollmacht, die über den Tod hinaus wirkt – fortbesteht. Ob dies der Fall ist und wie damit im Grundbuchverfahren umzugehen ist, ist umstritten. Mit dem Streitstand setzt sich auch das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung auseinander:

Teilweise wird angenommen, dass eine Grundbuchumschreibung auf Grundlage einer solchen Vollmacht nicht erfolgen könne, da die Vollmacht bei Personenidentität von Bevollmächtigtem (Vertreter) und Erben (Vertretenem) wirkungslos werde (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 12.05.1948 – 1 RS 49/48) bzw. durch Konfusion erlösche (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 10.01.2013 – I-15 W 79/12). Dies wird teilweise jedoch wiederum eingeschränkt auf Fälle, in denen der Bevollmächtigte Alleinerbe und nicht etwa Miterbe geworden ist (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 15.07.2014 – 2 W 48/14) bzw. sich bei der Verfügung ausdrücklich auf seine Alleinerbenstellung berufen oder diese grundbuchrechtlich nachgewiesen hat (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 10.01.2013 – I-15 W 79/12; OLG München, Beschl. v. 04.01.2017 – 34 Wx 382/16, 34 Wx 383/16).

Nach anderer Ansicht kann die Legitimationswirkung einer solchen Vollmacht bestehen bleiben, da ein materielles Erlöschen der Vollmacht nicht zwangsläufig ein der Grundbuchumschreibung entgegenstehendes Hindernis bedeuten müsse (vgl. etwa OLG München, Beschl. v. 04.08.2016 – 34 Wx 110/16; OLG Bremen, Beschl. v. 31.08.2023 – 3 W 15/23; Zimmer NJW 2016, 3341).

Entscheidung des Gerichts 

Das OLG Nürnberg kommt zu dem Ergebnis, dass die transmortale Vollmacht ihre Legitimationswirkung im zugrunde liegenden Fall nicht verloren hat und die Ehefrau auf Grundlage der Vollmacht somit mit Wirkung für den verstorbenen Ehemann handeln konnte. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die materielle Erbenstellung für das Grundbuchamt bis zur Vorlage eines förmlichen Nachweises i.S.v. § 35 GBO – also eines Erbscheins oder einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen – nicht maßgeblich sein könnte. Das eigenhändige Testament genüge hierfür nicht, weil dieses möglicherweise widerrufen oder in anderer Weise in seiner Gültigkeit aufgehoben oder eingeschränkt worden sein könnte. Vielmehr bedürfe es, so das OLG Nürnberg, nach allgemeinen grundbuchrechtlichen Grundsätzen eines formellen Nachweises der Berechtigung, für den Erblasser handeln zu können. Diese Berechtigung könne die Ehefrau als Bevollmächtigte gemäß § 29 GBO durch die Vollmachtsurkunde nachweisen. Dass sich ihre Berechtigung darüber hinaus auch aus ihrer Alleinerbenstellung ergeben könnte, sei unerheblich. Dies soll allerdings nur gelten, wenn und solange kein Erbnachweis i.S.v. §  35 GBO vorliege. Denn nur dann habe das Grundbuchamt keine grundbuchverfahrensrechtlich verwertbare Kenntnis von der Erbfolge und somit auch nicht vom Erlöschen der Vollmacht.


Fazit

Liegt kein Nachweis über die Erbfolge i.S.v. § 35 GBO vor, so kann der transmortal bevollmächtigte Alleinerbe nach Auffassung des OLG Nürnberg seine Verfügungsmacht gegenüber dem Grundbuchamt durch die Vollmachtsurkunde nachweisen. Diese Vollmacht muss dafür allerdings den Anforderungen des § 29 GBO genügen – es muss sich also um eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Vollmachtsurkunde handeln. Das ist insbesondere bei notariell beurkundeten oder beglaubigten Vorsorgevollmachten der Fall. Auch eine Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde ist grundsätzlich möglich.  An dieser Stelle sei jedoch auf eine Änderung des Betreuungsorganisationsgesetzes (BtOG) zum  1. Januar 2023 hingewiesen: § 7 Abs. 1 Satz 2 BtOG sieht seitdem vor, dass die Wirkung der öffentlichen Beglaubigung bei einer Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers endet. Das führt dazu, dass Vollmachten, die seit dem 1. Januar 2023 durch die Behörde öffentlich beglaubigt worden sind, mit dem Tod des Vollmachtgebers ihren Charakter als öffentlich beglaubigte Vollmacht i.S.v. § 29 GBO verlieren (Beck´sches Notar-Handbuch/Münch, § 16a Rn. 59). Eine Grundbuchumschreibung wie im vorliegenden Fall ist dann nur noch auf Grundlage einer notariell beurkundeten oder beglaubigten transmortalen Vorsorgevollmacht möglich.

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