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Impfnachweispflicht in der Pflege und im Gesundheitswesen – ein Nachtrag

Die ab Mitte März geltende Pflicht zum Nachweis des Impfstatus‘ in Unternehmen und Einrichtungen der Pflege- und Gesundheitsbranche hat ihre Tücken. Dies hat sich auch mittlerweile bei den Ministerpräsidenten einiger Bundesländer herumgesprochen. Der erste aus der Riege der Ministerpräsidenten, der öffentlich Zweifel geäußert hat, war – wieder einmal – der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Er hat am 07.02.2022 erklärt, dass Bayern die Regelung für Beschäftigte im Gesundheitswesen nicht umsetzen werde. Es werde „großzügigste Übergangsregelungen“ geben. Man benötige Zeit, „um das Ganze vernünftig zu gestalten“.

Inhaltlich mag man die von Herrn Söder geäußerte Kritik an der gesetzlichen Regelung sicherlich nachvollziehen können. Dass ein Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes allerdings dazu aufruft, eine bundesgesetzliche Regelung nicht zu befolgen ist ein mindestens bemerkenswerter Vorgang. Immerhin unterläuft die bayerische Landesregierung mit der pauschalen Anordnung, das Gesetz nicht zu vollziehen, die vom (Bundes-) Gesetzgeber vorgesehene Ermessensentscheidung der Gesundheitsbehörde im jeweiligen Einzelfall (§ 20a Abs. 5 S. 2 IfSG). Die Vermutung des bayerischen Ministerpräsidenten, dass es zu Engpässen in der personellen Versorgung von Pflegeeinrichtungen, Kliniken und Arztpraxen kommen könne, wenn die Gesundheitsbehörden massenhaft Tätigkeitsverbote aussprächen, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Gesetzgeber sieht aber hierfür die erwähnte Einzelfallentscheidung im Rahmen der Ermessensausübung durch die Gesundheitsbehörden vor.

Mittlerweile hatte auch das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit, sich mit der Regelung in § 20a IfSG zu beschäftigen. Beim Bundesverfassungsgericht sind Verfassungsbeschwerden gegen die gesetzliche Regelung anhängig. In diesem Zusammenhang haben die Beschwerdeführer beantragt, den Vollzug des Gesetzes vorläufig auszusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Antrag in einer sorgfältig begründeten Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes am 10.02.2022 abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht kommt im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass eine Aussetzung des Gesetzesvollzuges schwerwiegendere Folgen hätte, als eine Durchführung der Regelungen, selbst wenn sich im Nachhinein das Gesetz als verfassungswidrig erweisen sollte. Das Bundesverfassungsgericht stellt hierbei insbesondere den vom Gesetzgeber beabsichtigten Schutz von besonders vulnerablen Personengruppen (alte Menschen, Immungeschwächte, Behinderte) in den Vordergrund.

Wenn ein Ministerpräsident auf offener Bühne dazu aufruft, Bundesgesetze nicht zu vollziehen, legt er die Axt an die Wurzel des Rechtsstaates! Das verfassungsgemäß für solche Entscheidungen zuständige Organ ist das Bundesverfassungsgericht. Dies hat – jedenfalls vorläufig – anders entschieden. Den bayerischen Ministerpräsidenten wird die Entscheidung kaum freuen, läuft sie doch seinen politisch motivierten Äußerungen zur Aussetzung des Gesetzesvollzuges entgegen.

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