Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilt mit Entscheidung vom 06.06.2023, dass das Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten mit dem Amt des Betriebsratsvorsitzenden inkompatibel ist. Der Betriebsratsvorsitzende könne das Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten nur unzuverlässig (im Rechtssinne) ausüben, da beide Ämter in einem unauflösbaren Interessenkonflikt zueinander stünden. Da der Betriebsratsvorsitzende sich andernfalls in der Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten selbst überwachen müsste, sei die vom europäischen Gesetzgeber in diesem Amt geforderte funktionelle Unabhängigkeit gefährdet. Hierdurch würde die Wirksamkeit datenschutzrechtlicher Kontrolle insgesamt untergraben.
Das BAG betont, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Es hat nicht entschieden, ob jedes Betriebsratsamt, also auch das des „einfachen“ Betriebsratsmitglieds inkompatibel mit dem Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist.
So vertrete der Betriebsratsvorsitzende den Betriebsrat gerade nach außen, etwa gegenüber dem Arbeitgeber, und entscheide hierbei über Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung müsste er als betrieblicher Datenschutzbeauftragter wiederum selbst kontrollieren. Hierin liege der inkompatible Widerspruch.
Aufgrund dieses spezifischen Anknüpfungspunktes – die Vertretung des Betriebsrats ist originär Aufgabe des Betriebsratsvorsitzenden – musste das BAG nicht entscheiden, ob auch das Amt des „einfachen“ Betriebsratsmitglieds inkompatibel mit dem Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist. In einem Urteil aus dem Jahr 2011 hatte das BAG noch geurteilt, dass ein Interessenkonflikt zwischen der Mitgliedschaft eines „einfachen“ Betriebsratsmitglieds und dem von derselben Person bekleideten Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten selbst dann nicht bestehe, wenn das Betriebsratsmitglied in dessen EDV-Ausschuss mitwirke. Ob diese Argumentation angesichts der neuen Entscheidung des BAG aufrechterhalten werden könnte, ist fraglich: Es dürfte naheliegen, dass eine Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung nicht erst bei der Vertretung des Betriebsratsvorsitzenden von Betriebsratsbeschlüssen nach außen erfolgt, sondern dass der Betriebsrat als Gremium der gewählten Betriebsratsmitglieder bereits bei der Beschlussfassung über Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung entscheidet. Träfe dies zu, so müsste der betriebliche Datenschutzbeauftragte bereits bei Kenntnis der Beschlussfassung korrigierend einwirken, verstieße diese gegen datenschutzrechtliche Vorgaben. Anders formuliert: Träfe es zu, dass bereits bei Diskussionen im Gremium Betriebsrat und spätestens bei Beschlüssen des Betriebsrats über Zwecke und Mittel von Datenverarbeitungen entschieden würde, läge eine generelle Ämterinkompatibilität nahe.
Zwar sind im Einzelfall möglicherweise andere Wertungen zulässig. Generell sollten Arbeitgeber allerdings Vorsicht bei der Benennung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten walten lassen. Steht eine Benennung neu an, so sollte eine Person, die zugleich Betriebsratsmitglied – und angesichts der Entscheidung des BAG zwar sowohl Betriebsratsvorsitzender als auch „einfaches“ Betriebsratsmitglied – ist, möglichst nicht zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten benannt werden. Wird eine Person, die das Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten bekleidet neu in den Betriebsrat gewählt, so erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass diese Person aufgrund auftretender Interessenkollisionen als unzuverlässig (im Rechtssinne) zur Ausübung des Amtes des betrieblichen Datenschutzbeauftragten gilt. Es dürfte im Falle der Wahl zum Betriebsratsmitglied rechtlich regelmäßig möglich sein, eine vorherige Benennung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu widerrufen.