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Kein Hausverbot für den Lebensgefährten der Tochter durch Testament

Das LG Bochum hat am 29.04.2021 (Az.: 8 O 486/20) entschieden, dass eine testamentarische Bedingung, welche ein Hausverbot für den Lebensgefährten der Erbin vorsieht, sittenwidrig sein kann. Diese Rechtsauffassung wurde vom OLG Hamm am 19.07.2023 (Az.: 10 U 58/21) ebenfalls bestätigt.

I. Sachverhalt

Die Erblasserin setzte in einem notariellen Testament ihre Tochter und ihre Enkelin als Erbinnen zu je 1/2-Anteil ein. Teil des Nachlasses war ein schon lange im Familienbesitz befindliches Hausgrundstück. In diesem Haus wohnte in der einen Wohnung die Erblasserin selber und in der anderen Wohnung ihre Tochter. Die Enkelin war zum Todeszeitpunkt der Erblasserin bereits aus der Wohnung ausgezogen. Die Tochter hatte einen langjährigen Lebensgefährten, mit welchem sie seit annähernd 10 Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebte und welcher für die Enkelin wie ein Vater war. Die Tochter war aber weiterhin mit dem Vater der Enkelin verheiratet und lebte mit ihrem neuen Lebensgefährten nicht in einem Haushalt. Der Lebensgefährte nahm aber an dem Familienleben teil, übernachtete in dem Haus, nahm mit ihnen Speisen ein und führte auch Reparaturen an dem Haus durch. Bis zum Tod der Erblasserin wurde somit ein familiäres Zusammenleben praktiziert. Nach Ansicht der Erblasserin war die außereheliche Beziehung ihrer Tochter zu ihrem Lebensgefährten aber nicht standesgemäß. Wohl deshalb nahm die Erblasserin in ihrem Testament eine Regelung auf, nach welcher die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen sollten das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung des Betretungsverbots wurde eine Testamentsvollstreckeranordnung mit aufgenommen. Der Testamentsvollstrecker sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen diese Bedingung veräußern, wobei der Erlös zu 1/4 der Tochter, zu einem 1/4 der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte.

Die Erbinnen klagten vor dem LG Bochum auf Feststellung, dass diese Bedingung nichtig ist.

II. Entscheidungen der Gerichte

Das LG Bochum hat der Klage stattgegeben, weil es von der Sittenwidrigkeit der Bedingung ausgegangen ist. Das OLG Hamm teilte - nachdem der beklagte Testamentsvollstrecker gegen die Entscheidung Berufung eingelegt hatte - diese rechtliche Einschätzung, sodass die Berufung durch den Beklagten zurückgenommen und das Urteil des LG Bochum rechtskräftig wurde.

Diesen Entscheidungen lagen folgende rechtlichen Erwägungen zugrunde.

1. Grundsatz der Testierfreiheit

Der Erblasser hat aufgrund der vom Grundgesetz geschützten Testierfreiheit grundsätzlich einen großen Gestaltungsspielraum. Er kann seine Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Auch bei der Aufnahme von Auflagen und Bedingungen steht ihm ein großer Spielraum zu. So sind diese auch dann wirksam, wenn sie an objektiven Kriterien gemessen sinnfrei oder sogar unsinnig sind. Solange die Auflagen nicht gegen die guten Sitten verstoßen und dem höchstpersönlichen Bereich des Beschwerten nicht tangieren, sind diese wirksam.

2. Sittenwidrigkeit in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen

Die Sittenwidrigkeit, welche die Grenze der Testierfreiheit darstellt, ist nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen anzunehmen. Ein solcher Ausnahmefall besteht dann, wenn die Bedingung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die hingegen nur die Nutzung des vererbten Gegenstandes betreffen, sind dagegen regelmäßig zulässig.

3. Entscheidung im vorliegenden Fall

In dem vorliegenden Fall wurde von den Gerichten die Sittenwidrigkeit der Bedingung angenommen. Dies wurde damit begründet, dass vor allem die Tochter durch die Bedingung, dem eigenen Lebensgefährten ein Hausverbot auszusprechen, in einem nicht zu billigenden Maße in ihrer privaten und höchstpersönlichen Lebensführung eingeschränkt werde. Hierzu wurde ausgeführt, dass das praktizierte familiäre Zusammenleben aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden könne und somit die private Lebensführung der Tochter spürbar eingeschränkt werde. Da das Betretungsverbot auch keine Ausnahmen vorsieht, müsste die Tochter auch in Notfallsituationen, die das Betreten der Grundstücke erfordern würden, auf die Hilfe der ihnen am nächsten stehenden Person verzichten, um nicht den Verlust der Grundstücke zu riskieren. Zudem verfolgte die streitgegenständliche Bedingung nach den Feststellungen des LG Bochum lediglich das Ziel, die Beziehung der Klägerin zu ihrem Lebensgefährten zu erschweren, wenn nicht gar zu unterbinden, was gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt.

III. Fazit

Die Entscheidungen haben noch einmal bestätigt, dass für Verfügungen von Todes wegen grundsätzlich ein großer Gestaltungsspielraum besteht und dieser nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen eingeschränkt wird. Ein solcher Ausnahmefall kann dann vorliegen, wenn durch Bedingungen oder Auflagen in den persönlichen Lebensbereich des Erben eingegriffen wird. Sollte eine solche Bedingung oder Auflage in dem Testament vorhanden sein, kann dies sogar zur Unwirksamkeit der gesamten Verfügung von Todes wegen führen. Dies ist immer dann der Fall, wenn nicht angenommen werden kann, dass der Erblasser die Erbeinsetzung auch ohne die unwirksame Bedingung vorgenommen hätte.

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