In der täglichen Praxis gibt es immer wieder den Wunsch nach sog. Kettenschenkungen. Hierbei handelt es sich um die Konstruktion, bei der ein Schenker einen Vermögensgegenstand auf einen Beschenkten überträgt und dieser Beschenkte seinerseits im Rahmen einer weiteren Schenkung den geschenkten Vermögensgegenstand ganz oder teilweise auf eine dritte Person überträgt. Konkret geht es dabei häufig um Fälle, in denen Eltern eine Immobilie auf eines ihrer Kinder im Wege der Schenkung übertragen und dieses Kind dann seinem Partner bzw. seiner Partnerin einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück weiterschenkt. Die Gestaltung kommt insbesondere aus steuerlichen Gründen zum Einsatz, um zweifach günstige Steuerklassen und Freibeträge anwenden zu können.
Mit dem Modell der Kettenschenkung hat sich im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde aktuell der Bundesfinanzhof beschäftigt. Seinem Beschluss vom 28.07.2022 (Az. II B 37/21) lag der Fall zugrunde, dass ein Vater seiner Tochter ein Grundstück im Wege der Schenkung übertrug und die Tochter in derselben Urkunde einen Anteil von 50 % an dem Grundstück direkt weiter an ihren Ehemann schenkte. Das Finanzamt behandelte den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils durch den Ehemann als Schenkung des Schwiegervaters und nicht als Schenkung der Tochter. Dementsprechend berechnete das Finanzamt die Steuer hinsichtlich der Steuerklasse und des Freibetrags dem Verwandtschaftsverhältnis Schwiegervater/Schwiegersohn entsprechend. Sowohl Steuerklasse als auch Freibetrag sind in diesem Verwandtschaftsverhältnis für den Beschenkten deutlich ungünstiger, als wenn das Finanzamt zum einen eine Schenkung des Vaters an seine Tochter und zum anderen eine Schenkung der Tochter an ihren Ehemann angenommen hätte.
Der Ehemann war der Ansicht, dass ein Direkterwerb von seiner Ehefrau vorliegt und daher die für ihn günstigere Steuerklasse sowie der für ihn ebenfalls günstigere persönliche Freibetrag entsprechend dem Verwandtschaftsverhältnis Ehefrau/Ehemann festzusetzen ist. Das Finanzgericht hat der Klage des Ehemannes stattgegeben und die Revision des Finanzamts nicht zugelassen. Hiergegen richtete sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts mit der Begründung, die steuerliche Einordnung der in ein und derselben Vertragsurkunde enthaltenen Schenkung an die Tochter und der Weiterschenkung an deren Ehemann sei grundsätzlich klärungsbedürftig für den Fall, dass die Urkunde auslegungsbedürftig sei, weshalb fraglich sei, ob eine eindeutige Entscheidungsbefugnis des ersten Beschenkten (hier also der Tochter) festzustellen sei. Die Beschwerde des Finanzamts wies der Bundesfinanzhof zurück.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist die steuerliche Behandlung zweier in ein und derselben Urkunde verbundenen Schenkungen nicht klärungsbedürftig. Vielmehr kommt es – so das Gericht – im Falle einer Schenkung und unmittelbar anschließenden Weiterschenkung maßgeblich darauf an, ob die weitergebende Person (hier also die Tochter) eine eigene Entscheidungsbefugnis hatte. Diese Entscheidungsbefugnis liegt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs in der Regel nicht vor, wenn die Schenkung und die Weiterschenkung in einer Urkunde zusammengefasst sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus dem Vertrag oder aus den Umständen des Einzelfalls eindeutig etwas anderes ergibt (so bereits BFH, Urteil vom 18.07.2013 – II R 37/11). Damit ist entscheidend für die steuerliche Einordnung, was sich aus dem Vertrag und den Umständen ergibt. Das ist aber nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in der jetzt vorliegenden Entscheidung eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung deshalb nicht zugänglich.
Der Bundesfinanzhof weist zugleich darauf hin, dass wenn ein Gegenstand in der Weise verschenkt wird, dass der 1. Beschenkte ihn unmittelbar an einen Dritten weiterreicht, im Verhältnis Schenker / 1. Beschenkter zu prüfen ist, ob bereits zivilrechtlich überhaupt eine Schenkung des Schenkers unmittelbar an den letztlich beschenkten Dritten vorliegt. In dem vom Bundesfinanzhof zu entscheidenden Fall war also zu prüfen, ob hier nicht tatsächlich eine Schenkung des Schwiegervaters an den Schwiegersohn in Höhe des hälftigen Miteigentumsanteils gegeben war. Wenn man nach der Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass hier keine Schenkung unmittelbar an den Dritten vorliegt, ist im Verhältnis des 1. Beschenkten zum 2. Beschenkten zu prüfen, ob dem 1. Beschenkten eine Dispositionsbefugnis über den Gegenstand verbleibt. Wenn es hieran fehlt, liegt die bei einer Kettenschenkung von allen Beteiligten nicht gewünschte Schenkung unmittelbar an den Dritten vor mit den nachteiligen Steuerfolgen.
Praxiseinordnung:
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs schafft mehr Rechtssicherheit für den Einsatz von Kettenschenkungen. So ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs bei dem Gestaltungsmodell der Kettenschenkung es grundsätzlich möglich, dass hier zweifach günstige Steuerklassen und vorteilhafte Freibeträge zur Anwendung kommen, vorausgesetzt mit Blick auf die zweite Schenkung wird eine eindeutige Dispositionsbefugnis des ersten Beschenkten festgestellt. Bei einem nicht klar formulierten und damit auslegungsbedürftigen Vertragswerk, das beide Schenkungen in einer Urkunde zusammenfasst, kann also noch im Rahmen der Tatsachenfeststellungen durch das Finanzamt bzw. Finanzgericht versucht werden, die in ein und derselben Urkunde erfolgte Kettenschenkung in steuerlicher Hinsicht zu retten, indem hier eine Entscheidungsbefugnis des Erstbedachten festgestellt wird. Allerdings dürfte die Messlatte hier oftmals vergleichsweise hoch sein. Das gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Bundesfinanzhof auch in seiner jetzt vorliegenden Entscheidung betont, dass wenn Schenkung und Weiterschenkung in einer Urkunde zusammengefasst werden, der zuerst Bedachte regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit erlangt. Insofern erweist sich die Entscheidung gewissermaßen als Pyrrhussieg für die Befürworter einer zeitgleichen Schenkung und Weiterschenkung.
Ungeachtet der oben beschriebenen Rettungsmöglichkeit sollte in der Praxis im Idealfall die Entscheidungsbefugnis des Zwischenbeschenkten klar und eindeutig bereits in der Urkunde dokumentiert sein. Alternativ kann man auch weiterhin auf das gängige Modell zurückgreifen, die Kettenschenkung nicht in ein und derselben Urkunde durchzuführen, sondern zeitlich versetzt in mehreren Urkunden. So wird das Risiko minimiert, dass die mit der Kettenschenkung bezweckte steuerliche Optimierung infrage gestellt wird.