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Unanfechtbarer Erbe trotz Trennung – OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.9.2022 – 3 W 55/22

Auch nach einer Trennung kann die Einsetzung des Lebensgefährten als Erben trotz Anfechtung weiterhin Bestand haben. So hat es zumindest das OLG Oldenburg im September 2022 entschieden (OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.9.2022 – 3 W 55/22).
I.    Sachverhalt
Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Erblasser hatte in seinem Testament seinen damaligen Lebensgefährten und seine Tochter zu Erben eingesetzt. In der Folgezeit ist der Erblasser an Demenz erkrankt und musste schließlich 2016 aufgrund einer weit fortgeschrittenen Demenz in einer Pflegeeinrichtung betreut werden. Diese Umstände führten dazu, dass die Beziehung zu seinem Lebensgefährten letztlich scheiterte. Dieser besuchte den Erblasser aber bis zu dessen Tod regelmäßig in der Pflegeeinrichtung. Noch im Jahr 2020 heiratete der damalige Lebensgefährte allerdings einen neuen Lebenspartner. 2021 verstarb der Erblasser.
Die Tochter hat das Testament wegen eines Motivirrtums angefochten. Sie war der Ansicht, dass ihr Vater sein Testament geändert hätte, wenn er gewusst hätte, dass sich sein Lebensgefährte einem neuen Lebenspartner zuwendet und diesen sogar noch zu seinen Lebzeiten heiratet.
II.    Entscheidung des OLG Oldenburg
Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass der ehemalige Lebensgefährte weiterhin Erbe ist.
Zunächst hat es dazu ausgeführt, dass allein die Bezeichnung als Lebensgefährten im Testament nicht dazu führt, dass die Erbeinsetzung mit Trennung unwirksam wird. Die Bezeichnung als Lebensgefährten dient nach der Ansicht des OLG nämlich lediglich zur Konkretisierung der Person.
Darüber hinaus ist das Gericht der Ansicht, dass auch die Anfechtung durch die Tochter nicht zur Unwirksamkeit des Testaments führt. Es liege nämlich kein Motivirrtum vor. Dieser würde voraussetzen, dass der Erblasser die Bestimmung in dem Testament nicht getroffen hätte, wenn er die zukünftigen Umstände gekannt hätte. Es könne zwar grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Erblasser bei der Erbeinsetzung von dem Fortbestand der Lebenspartnerschaft ausgegangen sei. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass der Erblasser die Verfügung bei vorheriger Kenntnis der konkreten Trennung so nicht getroffen hätte. Vielmehr sei der hypothetische Wille des Erblassers dahingehend zu bestimmen, dass der Erblasser seinen Lebensgefährten auch dann als Erben einsetzen wollte, wenn sich dieser nach dem Ausbruch einer Demenzerkrankung einem neuen Lebenspartner zuwendet und diesen heiratet. Entscheidend hierbei war für das OLG, dass die Beziehung der beiden nicht etwa durch ein Verschulden des Lebensgefährten oder weil sich die Partner auseinandergelebt haben, gescheitert ist, sondern allein aufgrund der Demenzerkrankung des Erblassers keinen Bestand hatte. Die weiterhin bestehende Verbundenheit zueinander zeigte sich nach Auffassung des Gerichts auch durch die regelmäßigen Besuche in der Pflegeeinrichtung nach der Trennung.
III.    Handlungsoptionen
Diese Entscheidung zeigt auf, dass auch im Fall der Trennung ein testamentarisch eingesetzter Lebensgefährte Erbe bleiben kann, auch wenn das Testament angefochten wird. Welche Möglichkeiten es gibt, um dies zu verhindern und welche Vor- und Nachteile diese Handlungsoptionen aufweisen, wird im Folgenden dargestellt.
1.    Widerruf
Eine Möglichkeit ist es, das Testament nach der Trennung zu widerrufen. Der Widerruf eines Einzeltestamtes kann durch die Errichtung einer neuen Verfügung von Todes wegen oder durch die Vernichtung oder entsprechende Veränderung des Testamentes erfolgen. Ein beim Amtsgericht hinterlegtes Testament kann auch widerrufen werden, indem es aus der besonderen amtlichen Verwahrung genommen und dem Erblasser zurückgegeben wird. Hierdurch kann nach einer erfolgten Trennung individuell entschieden werden, ob der ehemalige Lebensgefährte sein Erbrecht behalten soll oder nicht. Allerdings besteht die Gefahr, dass im Fall der Trennung vergessen wird, dass es noch das den Ex-Partner begünstigende Testament gibt. Zur Wirksamkeit des Widerrufs muss der Erblasser zum Zeitpunkt des Widerrufs zudem noch testierfähig sein. Dies zeigt sich auch in dem Fall, den das OLG zu entscheiden hatte. Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Trennung stark dement und daher (vermutlich) nicht mehr testierfähig. Er hätte das Testament also, auch wenn er gewollte hätte, nicht mehr widerrufen können.
2.    Auflösende Bedingung
Eine weitere Möglichkeit knüpft daher direkt an die Gestaltung des Testaments an. So kann die Erbeinsetzung eines Lebenspartners unter der auflösenden Bedingung etwa des dauernden Getrenntlebens (§ 1567 BGB) getroffen werden. Hierbei ist es irrelevant, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Trennung noch testierfähig ist oder nicht. Allerdings ist hierbei dann die Reaktionsmöglichkeit im konkreten Einzelfall eingeschränkt. Soll die Erbeinsetzung in der Trennungssituation nämlich trotzdem bestehen bleiben, wäre folglich ein neues Testament und damit wieder Testierfähigkeit erforderlich. Darüber hinaus hat die Verwendung einer auflösenden Bedingung in einem notariellen Testament den Nachteil, dass der Vorteil bei öffentlichen Testamenten, dass kein Erbschein zum Nachweis der Rechtsnachfolge erforderlich ist, durch diese Regelung wegfallen kann.
IV.    Besonderheit Ehe
Das oben genannte gilt allerdings uneingeschränkt nur für nichteheliche Beziehungen. Bei der Erbeinsetzung von Ehegatten führt die Scheidung nämlich aufgrund der Auslegungsregel des § 2077 BGB grundsätzlich automatisch zur Unwirksamkeit der Erbeneinsetzung. Hier kann der hypothetische Wille nur ausnahmsweise zur Aufrechterhaltung der Erbeinsetzung führen. Nach der ständigen Rechtsprechung ist diese Handhabe bei Ehen nicht auf nichteheliche Lebensgemeinschaften anwendbar, da es hier an klaren und formalisierten Anknüpfungspunkten für deren Begründung und Beendigung fehlt. Das Risiko, dass der Ex-Partner trotz Scheidung Erbe bleibt, ist somit deutlich geringer als bei der Trennung nichtehelicher Beziehungen.
V.    Fazit
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass es bei der Erbeinsetzung des nichtehelichen Lebensgefährten das Risiko gibt, dass dieser trotz Trennung weiterhin unanfechtbarer Erbe bleibt. Inwieweit man dieses Risiko durch die Ausgestaltung des Testaments und Einbuße anderer Vorteile gänzlich ausschließen möchte, muss im Einzelfall gemeinsam mit dem Berater abgewogen werden.

 

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