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Windparks nur noch mit finanzieller Bürgerbeteiligung?

Das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (BüGembeteilG MV) hat zu einer im Mai 2022 veröffentlichten und wenig beachteten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) geführt (Beschluss vom 23.03.2022 – 1 BvR 1187/17). Wenngleich sich diese Entscheidung unmittelbar nur auf die Rechtslage des nordöstlichsten Bundeslands bezieht, lohnt sich ein Blick darauf, welche Maßnahme das BVerfG als „Modell für vergleichbare Regelungen zur Sicherung einer akzeptanzsteigernden bürgerschaftlichen und kommunalen Beteiligung am Ausbau der Windenergie“ bezeichnet.

1. Das BüGembeteilG MV – Pflicht zur finanziellen Bürgerbeteiligung

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat bereits 2016 Windparkbetreiber dazu verpflichtet, bei der Realisierung eines neuen Windparks on shore eine Projektgesellschaft zu gründen.

Mindestens 20 % der Anteile an dieser Projektgesellschaft muss der Betreiber sog. Kaufberechtigten (Personen, die im Umkreis von 5 Kilometern leben und Gemeinden, auf deren Gebiet sich die Anlage befindet, oder die im Umkreis von 5 Kilometern liegen), zu einem Preis von höchstens 500 € je Anteil zum Kauf anbieten. Alternativ kann der Betreiber eine jährliche Ausgleichsabgabe an die Gemeinden entrichten und den Anlagennachbarn ein Sparprodukt (etwa eine Festgeldanlage) anbieten.

Sinn und Zweck dieser Regelung wird – jedenfalls vom Landesgesetzgeber und nun wohl auch vom BVerfG – darin gesehen, den Widerstand gegen Windkraftanlagen durch eine Beteiligung der Betroffenen an der Wertschöpfung durch die Anlage zu verringern.

Ein Betreiberunternehmen sah sich durch diese Verpflichtung insbesondere in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt und erhob Verfassungsbeschwerde gegen die einschlägigen Vorschriften des BüGembeteilG MV vor dem BVerfG.

2. Die Entscheidung des BVerfG

Der erste Senat des BVerfG hat nun entschieden, dass die Vorschriften des BüGembeteilG MV im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar sind und Betreiber von Windparks nicht in ihren Grundrechten verletzen.

Dabei hat das Gericht zwar einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit angenommen, diesem aber den Klimaschutz und die Grundrechte vor den nachteiligen Folgen des Klimawandels und der Sicherung der Stromversorgung als überwiegend gegenübergestellt. Dass einzelne Maßnahmen sich isoliert betrachtet nur geringfügig auswirkten, sei zu vernachlässigen, weil der Klimawandel nur durch viele, auch gering wirkende Maßnahmen angehalten werden könne. Insbesondere bei „Pilotprojekten“ sei dies der Fall, da diesen Vorbildcharakter zukommen könne. Die Pflicht zur Abgabe von mindestens 20 % der Anteile sei zudem auf einen Umfang begrenzt, der noch keine Sperrminorität vermitteln könne. Außerdem könne Privatpersonen alternativ ein Sparprodukt angeboten werden, um sich etwaiger Belastungen aus der Gesellschafterstellung von Einwohnerinnen und Einwohnern zu entziehen.

Eine Schmälerung der Rendite auf Seiten der Betreiber ist nach Auffassung des BVerfG dabei hinzunehmen, da eine Akzeptanzsteigerung sich mit dem eigenen Interesse der Windkraftbetreiber an einer Ausweitung der nutzbaren Flächen decke.

Lediglich an einer kleinen verfahrensrechtlichen Stelle, die hier nicht weiter vertieft werden soll, sah das BVerfG Nachbesserungsbedarf.

3. Fazit und Ausblick

Bislang findet sich auf Bundesebene mit § 6 EEG 2021 lediglich eine freiwillige Möglichkeit zur Beteiligung von Gemeinden. Mit der Entscheidung des BVerfG, in der erneut dem Klimaschutz und dem Ausbau erneuerbarer Energien eine überragende Bedeutung zuerkannt wird, verfügen die Landes- und der Bundesgesetzgeber nun über ein weitergehendes Instrument, dessen verfassungsrechtlicher Zulässigkeit sie sich sicher sein können. Dabei sind durchaus Zweifel daran geboten, ob eine Pflichtbeteiligung tatsächlich zu einer Beschleunigung des Ausbaus führt. Was es in jedem Fall zu vermeiden gilt, ist ein Flickenteppich unterschiedlicher Beteiligungsregelungen, die die ohnehin schon komplizierte Realisierung von Windkraftvorhaben weiter verkomplizierte. Ob die Entscheidung letztlich in den Ministerien und Parlamenten auf größere Resonanz stößt als in den Medien, und zu einer Übernahme des Modells aus Schwerin führt, bleibt abzuwarten.

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