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Arbeitsrechtliche Implikationen des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes

Wieder einmal droht arbeitsrechtliches Ungemach aus Brüssel: Die sogenannte „Whistleblowing-Richtlinie“ der Europäischen Union (Richtlinie 2019/1937/EU) ist in nationales Recht umzusetzen. Die Frist hierfür ist bereits am 17.12.2021 abgelaufen. Der Gesetzentwurf zum deutschen „Hinweisgeberschutzgesetz“ ist am 10.02.2023 im Bundesrat vorläufig gescheitert, da die unionsregierten Länder dem Entwurf ihre Zustimmung versagt haben. Mit dem Gesetz wird sich nun der Vermittlungsausschuss beschäftigen müssen. Niemand weiß, welche Einwendungen des Bundesrates dort Berücksichtigung finden werden. Sicher ist aber: Das Gesetz wird kommen und mit ihm einige arbeitsrechtliche Fragestellungen, auf die wir bereits heute einen Blick werfen wollen:

1.    Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Hinweisgeber wegen einer Meldung nicht sanktioniert werden dürfen. Wendet sich also ein Mitarbeiter mit einem Hinweis auf Missstände im Unternehmen an die hierfür vorgesehene Meldestelle, darf der Arbeitgeber hierauf nicht mit Kündigung, Abmahnung, Versetzung o. ä. reagieren. Ein derartiges Sanktionsverbot kennt das deutsche Recht bereits mit dem sog. Maßregelungsverbot des § 612a BGB: Wer sich rechtmäßig verhält und lediglich ihm zustehende Ansprüche geltend macht, darf hierfür keine Sanktionen erleiden.

Soweit, so gut. Bauchschmerzen bereitet allerdings eine Beweislastregelung im Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz, wonach vermutet wird, dass eine Sanktion auf einem Hinweis beruht, wenn die Sanktion dem Hinweis zeitlich nachfolgt. Der Arbeitgeber muss dann etwa im Falle eines Kündigungsschutzprozesses nachweisen, dass die Kündigung keine Reaktion auf die Meldung ist. Der Arbeitgeber steht damit im Kündigungsschutzprozess vor einer weiteren, nur schwer überwindbaren Hürde. Im Bundesrat wurde diese Beweislastumkehr zu Recht beklagt. Es steht allerdings zu befürchten, dass der deutsche Gesetzgeber hieran kaum etwas wird ändern können, sieht Art. 21 Abs. 5 der Europäischen Richtlinie doch genau eine solche Beweislastregelung vor.

2.    Völlig unabhängig vom Richtlinientext und dessen Umsetzung in Deutschland stellt sich die Frage, inwieweit der Betriebsrat bei der Durchführung des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes mitzubestimmen hat. Der These, dass die Errichtung der Meldestellen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz stets mitbestimmungspflichtig ist, möchte ich widersprechen. M.E. ist zu differenzieren:

Mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten (für die Experten: § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) liegt nur dann vor, wenn über den Gesetzeswortlaut hinaus im Betrieb eine Meldepflicht eingeführt würde. Ansonsten ist die den Mitarbeitern eingeräumte Berechtigung, Hinweise an Meldestellen zu geben, lediglich mitbestimmungsfreier Gesetzesvollzug. Ob die jeweilige Meldestelle eine „technische Einrichtung“ (im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Wenn z.B. als Meldestelle ein externer Dienstleister eingeschaltet wird, ist dies nicht mitbestimmungspflichtig. Der üblichen Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen unterliegt selbstverständlich die Zuweisung von Aufgaben an Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Meldestelle. Hierbei dürfte es sich regelmäßig um mitbestimmungspflichtige Versetzungen handeln. Ob Folgemaßnahmen des Unternehmers, mit denen er auf entsprechende Hinweise an die Meldestellen reagiert, der Mitbestimmung unterliegen, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. So ist die Installation einer Videokamera als Reaktion auf angezeigte Diebstähle selbstverständlich mitbestimmungspflichtig, der Einsatz eines Detektivs hingegen nicht.

Die Ausgestaltung des Hinweisgeberschutzes bleibt für die betroffenen Unternehmen (also alle Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern) brisant. Wir werden das Thema weiterverfolgen.

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