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BGH äußert sich erneut zur Reichweite des Auskunftsanspruchs

Nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen hat jeder Betroffene ohne besondere Voraussetzungen das Recht gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO von einer verantwortlichen Stelle Auskunft darüber zu verlangen, ob und welche personenbezogene Daten dort mit Bezug auf den Betroffenen gespeichert sind. Der BGH hat im vergangenen Jahr dazu bereits entschieden, dass grundsätzlich auch interne Vermerke der verantwortlichen Stelle offenzulegen sind, die sich nur auf den Betroffenen beziehen (BGH, Urteil vom 15.06.2021, VI ZR 576/19, dazu Meyer, jusIT 2021, 257).

In der Praxis stellt sich häufig das Problem, dass die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen missbräuchlich erfolgt, um die verantwortliche Stelle unter Druck zu setzen oder um im Falle einer vermeintlich unvollständigen Auskunftserteilung Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Besonders problematisch ist die Konstellation immer dann, wenn Auskunftsansprüche eines Betroffenen sich auch auf solche Informationen beziehen, die zugleich Bezug zu einer anderen Person aufweisen. Zu dieser Thematik findet sich in Art. 15 Abs. 4 DSGVO nur ein kurzer Hinweis, wonach bei Übermittlung von Kopien die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigt werden dürfen.

1. Auskunft über die Herkunft von Daten

Der BGH musste sich in einer aktuellen Entscheidung konkret mit der Frage befassen, ob ein Mieter Anspruch darauf hat, im Rahmen eines Auskunftsverlangens auch gesagt zu bekommen, wer sich über ihn bei dem Vermieter beschwert hat (BGH, Urteil vom 22.02.2022, Az. VI ZR 14/21). Grundsätzlich umfasst der Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 lit. g) DSGVO auch Informationen über die Herkunft von Daten. Für die verantwortliche Stelle (im konkreten Fall also den Vermieter) hätte eine vollständige Auskunftserteilung dann aber zur Konsequenz, dass zugleich gegenüber dem Betroffenen auch Daten des Hinweisgebers offengelegt werden, der sich dann darüber beklagen könnte, dass die verantwortliche Stelle zu Unrecht seine Daten an den Betroffenen herausgegeben hat. Gibt die verantwortliche Stelle die Daten allerdings nicht an den Betroffenen heraus, beschwert sich dieser möglicherweise über eine unvollständige Auskunftserteilung und macht Schadensersatzansprüche geltend. Im konkreten Fall wollte der Mieter für die angeblich unvollständige Auskunft sogar ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 € haben, weil der Vermieter seinen Hinweisgeber nicht offenlegen wollte.

2. Anknüpfungspunkte für Beschränkungen des Auskunftsanspruchs

Die rechtliche Problematik ergibt sich darauf, dass der eigentliche Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 keinerlei explizite Beschränkungen vorsieht. Der Verweis auf die Rechte und Freiheiten von Dritten in Art. 15 Abs. 4 DSGVO bezieht sich nach dem Wortlaut eigentlich nur auf die Übermittlung von Kopien und nicht auf die Auskunft selbst. Es spricht allerdings einiges dafür, diesen Ansatz generell für die Auskunftserteilung anzuwenden. Auf nationaler Ebene findet sich dazu eine explizite Ausnahmevorschrift über die Verweisung von § 34 Abs. 1 Nr. 1 BDSG auf § 33 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) BDSG.

3. Die Entscheidung des BGH

Nachdem die Vorinstanzen insgesamt einen Anspruch auf Offenlegung der Identität des Hinweisgebers abgelehnt hatten, ist durch den BGH (leider) eine Zurückverweisung in der Sache erfolgt, weil die Vorinstanzen den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hatten. Der BGH sieht es grundsätzlich als möglich an, Auskünfte im Einzelfall zu verweigern, wenn hierdurch schutzwürdige Interessen Dritter beeinträchtigt werden. Zur dogmatischen Herleitung verweist der BGH auf die Europäische Grundrechtecharta, die generell den Schutz der Privatsphäre und von personenbezogenen Daten absichern soll. Auf die diesbezüglichen Vorgaben kann sich auch der Hinweisgeber stützen, so dass dessen Rechte bei der Auskunftserteilung zu beachten sind, selbst wenn es hierzu keine explizite Regelung in der DSGVO gibt. Nach Vorstellung des BGH soll aber die verantwortliche Stelle in jedem Einzelfall eine Abwägung vornehmen, ob schutzwürdige Interessen des Hinweisgebers gegenüber dem Auskunftsinteresse des Betroffenen überwiegen. Im Rahmen dieser Abwägung erwartet der BGH unter anderem eine Überprüfung durch die verantwortliche Stelle, ob die Angaben des Dritten zu dem Betroffenen zutreffend waren oder nicht, weil im Hinblick auf richtige Informationen ein höherer Schutz des Hinweisgebers besteht als bei falschen Informationen. Eine grundsätzliche Vermutung, dass im Zweifelsfall von einem besonderen Schutz des Hinweisgebers im Sinne eines Quellenschutzes ausgegangen werden muss, erkennt der BGH dagegen nicht an.

4. Bewertung

Für verantwortliche Stellen ist es ohnehin schon sehr schwierig, den hohen Anforderungen der Rechtsprechung an Auskunft und Reichweite von datenschutzrechtlichen Auskünften zu genügen. In vielen Fällen ist es praktisch kaum handhabbar, den gesamten Datenbestand, der sich auf eine betroffene Person beziehen kann, auch noch darauf zu überprüfen, welche Interessen Dritter berührt werden und dies im Einzelfall abzuwägen. Besonders ärgerlich ist es, dass es weiterhin relativ wenig Rechtsprechung zu der Frage gibt, dass Auskunftsansprüche auch missbräuchlich geltend gemacht werden können und dann die Möglichkeit bestehen muss, die Herausgabe der Unterlagen zu verweigern. Dies gilt vor allem dann, wenn Auskunftsansprüche ersichtlich zweckwidrig geltend gemacht werden oder sich auf solche Aspekte beziehen, bei denen es keinerlei Anlass für einen Auskunftsanspruch gibt. Es ist zumindest zu hoffen, dass bei der nachgelagerten Frage von Sanktionen für vermeintlich unvollständige Auskünfte ein großzügigerer Maßstab angewandt wird. Die verantwortliche Stelle wird aber nicht umhinkommen, für derartige Themen angemessene Prozesse zu etablieren und/oder sich rechtlich beraten zu lassen.

Die Entscheidung des BGH ist Gegenstand einer Urteilsanmerkung, die in der jusIT (jusIT 2022, 106) erschienen ist.

Autoren

  • Dr. Sebastian Meyer LL.M.

    Rechtsanwalt und Notar mit Amtssitz in Bielefeld

    Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht)

    Datenschutzauditor (TÜV)


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