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Aktuelle ThemenGewerblicher Rechtsschutz & Wettbewerbsrecht

Greenwashing und die Gefahr irreführender Umweltaussagen

Einführung

Das Thema Nachhaltigkeit ist in unserer Gesellschaft von großer Bedeutung. So lässt sich aus Untersuchungen, die die EU-Kommission in Auftrag gegeben hat, entnehmen, dass mittlerweile 94 % aller EuropäerInnen denken, dass Umweltschutz für Sie persönlich wichtig ist. Selbstverständlich wollen Unternehmen von diesem steigenden Umweltbewusstsein profitieren. So weist ein Factsheet der EU-Kommission aus, dass mittlerweile 80 % aller Webseiten und Werbungen sogenannte Green Claims, also umweltbezogene Aussagen von Unternehmen über ihre Produkte oder ihr Unternehmen selbst enthalten. Jedoch fühlten sich bereits 56 % der EU-Verbraucherinnen von Green Claims getäuscht.

Diese Zahlen zeigen, wie bedeutsam das Thema Green Claims und Greenwashing derzeit ist. Von Greenwashing wird dabei gesprochen, wenn jemand versucht ein „grünes Image“ zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im Unternehmen zu implementieren. Doch was ist zu beachten?

Rechtsgrundlagen

Grundlage für die Bewertung, ob es sich um legale Werbung, oder aber irreführende Umweltaussagen handelt, ist - neben teils vorhandenen, sektorenspezifischen Regeln - das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (kurz: UWG). Im Bereich des Green Claimings sind insbesondere die §§ 5 und 5a UWG von Relevanz. Gemäß § 5 UWG ist die Irreführung durch aktives Tun unlauter und damit unzulässig. Macht ein Unternehmen also eine unwahre oder zur Täuschung geeignete Angabe und veranlasst hierdurch einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung, die er andernfalls nicht getroffen hätte, handelt das Unternehmen unlauter. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Green Claim sich allein auf ein Produkt, oder das Unternehmen insgesamt bezieht.

Ebenfalls ist die Irreführung durch Unterlassen unlauter, vgl. § 5a UWG. So handelt unlauter, wer eine wesentliche Information vorenthält, die ein Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer für eine informierte Entscheidung benötigt und so dazu geeignet ist, die Person zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Bei der Beurteilung, ob es sich um eine irreführende Aussage handelt oder nicht, ist stets das Verständnis des angesprochenen Verkehrskreises entscheidend. Mithin liegt eine Irreführung vor, wenn bei dem angesprochenen Verkehrskreis bestimmte Erwartungen geweckt werden, die aber tatsächlich nicht erfüllt werden. Auch liegt hier bereits eine Herausforderung für Unternehmen, die mit Umweltaussagen werben wollen. Sie müssen bei Festlegung ihrer Werbestrategie nämlich stets das Verständnis des angesprochenen Verkehrs in Bezug auf ihre Aussage antizipieren.

Kurzübersicht über aktuelle Rechtsprechung

Die Darstellung der rechtlichen Grundlagen zeigt schnell ein aktuelles Problem in Bezug auf Green Claims. Die Gerichte müssen die Irreführung von Green Claims auf Basis von unspezifischen Generalklauseln beurteilen. Dies führt dazu, dass sich bisher keine einheitliche Rechtsprechung entwickeln konnte und vielmehr von einem „Flickenteppich“ zu sprechen ist.

Das OLG Hamm (Urteil vom 19.08.2021, Az: 4 U 57/21) hat festgestellt, dass vage Werbeaussagen wie z. B. „CO2 reduziert“, „umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackung“ sowie „unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit“ die Gefahr bergen, eine zu weitgehende Erwartung beim angesprochenen Verkehrskreis zu wecken und so Irreführungspotenzial haben. Weiter stellt das OLG Hamm fest, dass eine Irreführung nur durch weitere, aufklärende Hinweise zu den Umweltaussagen vermieden werden kann, an die strenge Anforderungen zu stellen sind. Auch das OLG Stuttgart hat in einem Urteil (Urteil vom 25.10.2018, Az: 2 U 34/18) in die gleiche Richtung tendiert und darauf hingewiesen, dass vage Werbeaussagen zu weite Erwartungen wecken. In dem konkreten Fall war das OLG Stuttgart der Auffassung, dass der Werbebegriff „schadstofffrei“ in Bezug auf Bettwaren bei dem Verkehr die Erwartung wecke, dass die Ware völlig frei von Schadstoffen sei und es nicht ausreiche, wenn der Hersteller lediglich gesetzliche Grenzwerte einhielte. Auch das OLG Koblenz (Urteil vom 10.08.2011, Az: 9 U 163/11) wies darauf hin, dass ein Unternehmen mit der Werbeaussage „umweltschonende Produkte, die Klima und Regenwald schützen“ nur dann keine Irreführung begehe, wenn es den Verbraucher weitergehend über die konkreten Maßnahmen aufkläre, inwieweit das Produkt umweltschonend sei.

Gleichzeitig gibt es divergierende Urteile dazu, wie einzelne Begriffe zu verstehen sind. So führte das OLG Schleswig (Urteil vom 20.06.2022, Az: 6 U 46/21) aus, dass der Begriff der „Klimaneutralität“ beim angesprochenen Verkehr, lediglich die Erwartung einer ausgeglichenen CO2-Bilanz wecke und es daher nicht irreführend ist, wenn das Produkt nicht vollständig emissionsfrei hergestellt wurde. Anderer Auffassung war hingegen noch das Landgericht Kiel in I. Instanz, welches - wie zuvor auch viele weitere Gerichte - feststellte, dass der angesprochene Verkehr den Begriff „Klimaneutralität“ mit dem Begriff der „Emissionsfreiheit“ gleichsetze und die Werbung mit Klimaneutralität mithin stets irreführend ist, wenn bei der Herstellung der Produkte CO2-Emissionen entstehen. Die Ausgleichung der entstehenden CO2-Emissionen durch Kompensationsmaßnahmen hielt das Landgericht Kiel nicht für ausreichend.

Die Rechtsprechung verfolgt noch keine klare Linie im Bereich der Green Claims, weshalb eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht. Feststellen lässt sich eine Tendenz der Rechtsprechung, einen eher strengen Maßstab bei der Beurteilung von Green Claims anzusetzen. Den meisten Urteilen ist aber auch gemein, dass in ihnen die Auffassung mitschwingt, dass eine Information über den jeweils benutzten Werbebegriff ausgereicht hätte, um eine Irreführung zu vermeiden. Mithin sind Information und Transparenz die „Schlüssel“ zum rechtmäßigen Green Claiming. So ist vorstellbar, dass Unternehmen ihre Informationspflichten durch einen ersten Hinweis auf dem Produkt selbst und unter Verweis auf eine ausführliche Informationsseite im Internet erfüllen könnten.

Verschwiegen werden soll aber nicht, dass noch längst nicht alle Einzelheiten in diesem Zusammenhang rechtssicher geklärt sind.

Richtlinienentwürfe der EU-Kommission

Anfang 2022 und 2023 hat die EU-Kommission neue Entwürfe für Richtlinien vorgelegt, die sich insbesondere auch mit dem Thema Green Claiming auseinandersetzen und einen spezifischeren Rechtsrahmen hierfür setzen sollen. Zwar bleibt die weitere Anpassung im Gesetzgebungsverfahren der EU sowie die jeweils nationalstaatliche Umsetzung dieser Entwürfe abzuwarten, es zeichnet sich aber ab, dass die Gesetzgebung zum Thema Green Claiming deutlich spezifiziert, aber auch verschärft wird. So sollen zukünftig allgemeine Umweltaussagen untersagt sein, wenn das jeweilige Unternehmen für diese keine Nachweise erbringen kann. Werbeaussagen über künftige Umweltleistungen (z. B. „klimaneutral bis 2030“) sollen nur noch dann erlaubt sein, wenn sich das jeweilige Unternehmen objektiven und überprüfbaren Verpflichtungen ausgesetzt hat und darüber hinaus ein unabhängiges Überwachungssystem vorliegt. Die Anforderungen an dieses unabhängige Überwachungssystem sind nach den Entwürfen der EU-Kommission noch völlig unklar. Auch sollen Mindeststandards, insbesondere Kommunikations- und Nachweispflichten, für freiwillige Green Claims von Unternehmen eingeführt werden und die Anzahl von sogenannten Umweltsiegeln beschränkt werden.

Fazit

Es ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung derzeit zwar uneinheitlich und wenig vorhersehbar ist, jedoch eine Tendenz für einen strengen Maßstab an Korrektheit und Transparenz des Green Claimings gestellt wird. Mithin ist für Unternehmen Vorsicht geboten. Möchte man auf das Green Claiming nicht verzichten, so sollte beachtet werden, dass die Green Claims möglichst konkret sind und das darin enthaltene Versprechen durch weitere Informationen erklärt und untermauert werden.

Bei Fragen hierzu stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Beratung zur Verfügung.

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