
Bestimmung über Auslegung einer Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GbR
In seinem Urteil vom 29.10.2024 (Az.: II ZR 222/21) hat der BGH klargestellt, wie eine Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auszulegen ist. Nachdem Fortführungsklauseln lange Zeit erforderlich waren, um die Auflösung der GbR bei Ausscheiden eines Gesellschafters zu verhindern, ist der Fortbestand einer GbR seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts zum 01.01.2024 (MoPeG) gesetzlicher Regelfall.
Vor der Neuregelung durch das MoPeG war Rechtsfolge des Ausscheidens eines GbR-Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft, und zwar auch dann, wenn die Gesellschaft aus einer Mehrzahl von Gesellschaftern bestand. Verhindert werden konnte dies nur durch eine entsprechende Fortführungsregelung im Gesellschaftsvertrag, in der die Gesellschafter ihren Willen zum Fortbestand der GbR zum Ausdruck bringen (vgl. § 736 Abs. 1 BGB a.F.). Durch das MoPeG wurde dieser Grundsatz dahingehend umgekehrt, dass die Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters, und zwar auch des Vorletzten, regelmäßig weitergeführt wird (vgl. § 723 Abs. 1 BGB n.F.), so etwa im Falle der Kündigung der GbR durch einen Gesellschafter oder bei dessen Versterben. Der rechtsfähigen GbR wird das Bestandsschutzinteresse folglich nunmehr von Gesetzes wegen unterstellt. Um die Wirkungen von § 723 Abs. 1 BGB n.F. auch bei auf Grundlage des alten GbR-Rechts formulierten Gesellschaftsverträgen zu erzielen, bedarf es einer klaren und bestimmten Formulierung einer Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag. Dies belegt das besprochene BGH-Urteil.
Der betreffende Gesellschaftsvertrag enthielt folgende Regelung:
„(1) Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters wird die Sozietät durch die anderen Gesellschafter fortgeführt, soweit mindestens zwei Gesellschafter verbleiben. Auch im Falle der Kündigung der Sozietät durch einen Gesellschafter können die übrigen Gesellschafter beschließen, die Sozietät fortzuführen. Der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters wächst den übrigen Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligung zu.
(2) […]“
Der BGH stellt dazu fest, dass die in Rede stehende Fortführungsklausel nicht auch dann greift, wenn nach Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters nur noch ein Gesellschafter verbleibt. Dies ist das Ergebnis der Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB. Die fragliche Fortführungsklausel sei – so der BGH – aufgrund des Verweises „auch“ in Satz 2 und des systematischen Zusammenhangs dahingehend auszulegen, dass nach Ausscheiden eines Gesellschafters mindestens zwei weitere Gesellschafter verbleiben müssen, damit die Fortführungsklausel zum Tragen kommt. Das sei nach Auffassung der Karlsruher Richter auch vor dem Hintergrund naheliegend, dass eine Personengesellschaft – anders als eine Kapitalgesellschaft – nur aus mindestens zwei Gesellschaftern bestehen kann. Im Übrigen sei der Rechtsprechung des BGH keine allgemeine Auslegungsregel dahingehend zu entnehmen, wonach wenn in Gesellschaftsverträgen von „Gesellschaftern“ die Rede sei, dies im Zweifel auch nur „einen Gesellschafter“ meinen könne.
Für die Praxis bedeutet das Urteil daher, dass eine automatische Fortsetzung der GbR durch den letzten Gesellschafter im Sinne von § 723 Abs. 1 BGB n.F. nicht möglich ist, wenn der Gesellschaftsvertrag eine dieser gesetzlichen Vorgabe widersprechende gesellschaftsvertragliche Regelung enthält. Wer daher also sichergehen möchte, dass die Gesellschaft von dem letzten verbleibenden Gesellschafter bei gleichzeitigem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters fortgeführt werden kann, die Gesellschaft also ohne Liquidation erlischt und das Gesellschaftsvermögen auf den vorletzten verbleibenden Gesellschafter übergeht (vgl. § 712a Abs. 1 BGB n.F.), muss dies in Alt-Fällen ausdrücklich und unmissverständlich vertraglich regeln.