
BGH konkretisiert § 18 Abs. 1 HGB: Domainverfügbarkeit allein begründet keine firmenrechtliche Unterscheidungskraft
BGH, Beschluss vom 11. März 2025 – II ZB 9/24, NJW-RR 2025, 930
In einer höchst praxisrelevanten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof am 11. März 2025 klargestellt, dass die Kombination eines Branchen- oder Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain (Domain-Name) mit einer Top-Level-Domain (Domain-Endung) wie „.de“ einer Firma nicht die erforderliche Unterscheidungskraft gem. § 18 Abs. 1 HGB verleiht. Damit bleibt die bisherige Linie der Rechtsprechung bestehen, die hohe Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Firmen (Namen von Handelsgesellschaften) stellt.
I. Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine Aktiengesellschaft, beabsichtigte die Eintragung der Firma „v... .de AG“ im Handelsregister. Bei „v...“ handelt es sich um eine vom BGH anonymisierte Gattungsbezeichnung des Unternehmens der Antragstellerin. Gegenstand dieser Bezeichnung ist eine Beschreibung der Unternehmensart oder des Unternehmensgegenstands, wie bspw. „Veranstaltungsmanagement“ oder „Verfahrenstechnologie“. Die Antragstellerin hatte sich diese Gattungsbezeichnung als Second-Level-Domain in Verbindung mit der Top-Level-Domain „.de“ bereits als Domain sichern lassen. Die Kombination aus Second-Level-Domain und Top-Level-Domain wird nach den Vergaberichtlinien der deutschen zentralen Registrierungsstelle für alle Domains (Denic eG) nur einmal vergeben. Auch die Firma der Antragstellerin sollte aus der Second-Level-Domain und der Top-Level-Domain gebildet werden. Das Amtsgericht – Registergericht – Berlin-Charlottenburg hat die Eintragung mit der Begründung abgelehnt, die Firma sei nicht unterscheidungskräftig. Die Antragstellerin war jedoch der Ansicht, die Top-Level-Domain „.de“ verleihe der Firma die nötige Individualisierung im Sinne des § 18 HGB. Zudem seien auch andere Unternehmen mit ähnlich strukturierten Firmen im Handelsregister eingetragen. Die gegen die registergerichtliche Ablehnung eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (KG, Beschluss vom 06.05.2024 – 22 W 16/24). Nach Ansicht des Beschwerdegerichts sei allein durch die Sicherstellung, dass die Domain nach den Vergaberichtlinien der Denic eG nur einmal vergeben werden könne, eine Verwechslungsgefahr im allgemeinen Geschäftsverkehr (außerhalb des Internets) nicht ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat die Antragstellerin Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt.
II. Gesetzliche Grundlagen
Die Firma muss gem. § 18 Abs. 1 HGB zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Unterscheidungskraft besitzt eine Firma dann, wenn sie ihrer Art nach („ursprünglich“) die Gesellschaft von anderen Unternehmen unterscheiden und auf diese Weise individualisieren kann (BGH, Beschluss vom 08.12.2008 – II ZB 46/07). Durch die erforderliche Unterscheidungskraft sollen Irreführungen im allgemeinen Geschäftsverkehr vermieden und Verwechslungen ausgeschlossen werden. Die Vorschrift § 18 Abs. 1 HGB gilt gem. § 6 HGB i.V.m. § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung einer Aktiengesellschaft.
III. Rechtliche Würdigung des BGH
Der II. Zivilsenat des BGH hat die Entscheidung des Registergerichts bestätigt und klargestellt:
„Die Firma „v... .de AG“ besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft.“
Die Begründung des Gerichts fußt auf den folgenden allgemeinen Grundsätzen:
Reine Gattungsbezeichnungen sind nicht geeignet, bei der den Firmennamen lesenden oder hörenden Person eine Assoziation mit einem ganz bestimmten Unternehmen hervorzurufen. Bei der Verwendung von Allgemeinbezeichnungen, insbesondere bloß beschreibenden Angaben von Unternehmensart oder -gegenstand, ist das Freihaltebedürfnis der übrigen Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges zu berücksichtigen, um die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig zu beeinträchtigen.
Die Top-Level-Domain „.de“ dient vorrangig der technischen Adressierung im Internet und kennzeichnet die Herkunft einer Internetadresse. Eine firmenrechtliche Identifikation ist weder angelegt noch umfasst.
Bei der Second-Level-Domain „v...“ handelt es sich um eine bloße Gattungsbezeichnung, die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeigt. Dieser Second-Level-Domain allein fehlt die Unterscheidungskraft gem. § 18 Abs. 1 HGB. Bislang war umstritten, ob die Verbindung der Second-Level-Domain mit der Top-Level-Domain eine firmenrechtliche Alleinstellung und damit Unterscheidungskraft begründen kann.
Teilweise wurde angenommen, dass die Kombination der nicht unterscheidungskräftigen Second-Level-Domain mit der Top-Level-Domain aufgrund der durch die Vergaberichtlinien der Denic eG hervorgerufenen Alleinstellung auch Unterscheidungskraft besitze (OLG Dresden, Beschluss vom 15.11.2010 – 13 W 890/10; AG Frankfurt a. M., Beschluss vom 26.06.2009 – 72 AR 74/09 u. a.).
Nach anderer Ansicht begründe diese Kombination keine Unterscheidungskraft, da bei der Denic eG lediglich eine Internetadresse mit einem für die Firma gewählten Namen vergeben werde, was keine firmenrechtlichen Folgen habe (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.10.2010 – 20W 196/10; LG Köln, Beschluss vom 08.02.2008 – 88 T 04/08 u.a.).
Der BGH hat sich der letztgenannten Ansicht angeschlossen. Die Kombination eines Branchen- bzw. Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit einer Top-Level-Domain verleiht der Firma nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Der Registrierung einer Domain durch die Denic eG und dem hieraus folgenden Ausschluss der nochmaligen Domain-Vergabe sind für die firmenrechtliche Beurteilung kein Gewicht beizumessen.
Sofern eine Domain als Firma unterscheidungskräftig gem. § 18 Abs. 1 HGB sein soll, muss sich die firmenrechtliche Alleinstellung schon aus der Second-Level-Domain ergeben.
Hierneben kann die Antragstellerin keine Rechtsposition aus vorherigen Eintragungen anderer Unternehmen herleiten, da kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht und das Registergericht für jede angemeldete Firma eine Zulässigkeitsprüfung vorzunehmen hat.
IV. Fazit und Praxisrelevanz
Mit seiner Entscheidung vom 11. März 2025 hat der BGH erneut die Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Firmennamen konkretisiert und digitale Trends rechtlich eingeordnet. Top-Level-Domains wie „.de“ oder „.com“ können eine Firma zwar modern erscheinen lassen, schaffen jedoch nicht die notwendige originäre Unterscheidungskraft im Sinne des HGB. Die Entscheidung hat klare Auswirkungen auf die Namensgebung von Unternehmen, insbesondere bei Startups, die häufig digitalaffin arbeiten. Wer plant, seine Markenidentität oder digitale Präsenz stark an einer Domain zu orientieren, muss bei der Wahl der Second-Level-Domain kreativer sein und auf ihre Unterscheidungskraft achten. Sofern ein Gleichlauf von Firma und Domain angestrebt wird, empfiehlt es sich in der Praxis:
schon bei Auswahl der Domain neben den markenrechtlichen Aspekten auch handelsrechtliche Anforderungen zu betrachten und
auch den Firmennamen frühzeitig und sorgfältig prüfen zu lassen.
Schlussendlich kann eine unterscheidungskräftige und wohlgewählte Domain nicht nur als Internetadresse, sondern auch als Firma fungieren und dadurch eine profilbildende Abgrenzung von Wettbewerbern ermöglichen.
